09.06.23
Ein neuer Anfang
Über das Ende vom Homeoffice
Ich bin tierisch nervös. Nervös wie schon lange nicht mehr. Wie bescheuert. Ist doch ganz einfach. Ist doch alles schon geplant. Imbus Schlüssel in die Schraube. Aufdrehen. Das Zeichentablet vorsichtig aushängen. Rein in den Karton. Das Taxi rufen. "I want to break free" - schon vergessen?
Heute ist es also soweit: Ich baue mein Studio zuhause ab. Meine Festung, meine Basis. Auf zu neuen Ufern.
Während ich auf das Taxi warte, schaue ich nochmal aus dem Fenster. Durch die fast quadratische Scheibe fällt warmes Licht in unser Wohn- und Arbeitszimmer und taucht den Schreibtisch, auf dem das Zeichentablett vorhin noch stand, in eine angenehme Wärme. Draußen scheint endlich die Sonne. Wie viele Tage war ich jetzt wohl hier? Wie viele Tage habe ich im Homeoffice verbracht? Zu mühselig sie alle zu zählen. Zu viele sind es - so viel ist sicher.
Ein dicker, grauer Streifen, der die Flucht in's Homeoffice durch Covid und den heutigen Tag verbindet. So kommt es mir nun vor. Dinner for One - ein grauer Film, in dem ich fast alle Rollen selber spiele und der sich immer wiederholt. "Same Procedure as every year?" Ja, genau. Same procedure wie jeden Tag. Superman hat seine Festung der Einsamkeit, Batman hat sein Batcave. Isolation - eine prima Sache. Ist doch klar. Ha! Von wegen. Klar, konzentriertes Arbeiten hat was für sich. Keiner kommentiert ungefragt die frisch geschlüpfte Skizze, von der man noch nicht weiß ob sie überhaupt Potential hat. Keine ungebetenen Besucher klopfen an die Tür um zu fragen was man da denn grade so treibt - das sähe doch interessant aus.
Aber verdammt nochmal: Man kann auch niemanden kurz fragen welchen Entwurf sie oder er denn besser findet wenn man es selber grade nicht weiß. Mal kurz das letzte oder nächste Wochenende bequatschen. Eine gemeinsame Kaffeepause machen. Zusammen auf der Treppe in der Sonne sitzen. Zu zweit oder zu mehreren die Mittagspause zelebrieren. Nach getaner Arbeit ein Feierabendgetränk öffnen und den Arbeitstag mit jedem Schluck ein bisschen weiter hinter sich lassen. "Kennst du die Serie?" "Hast du dieses Tablet schon ausprobiert?" "Warst du schon auf jener Ausstellung?" Fragt keiner.
Nein - all das geht alleine nämlich nicht. Ich bin mir fast sicher: Auch Superman oder Batman haben das bestimmt irgendwann bemerkt und sich über ihre dämlichen Festungen geärgert. Selber Schuld. Supertrottel. Je länger ich den Platz zuhause in Anspruch nehme, um so mehr fehlt mir all das. Der Austausch. Der Weg zur Arbeit. Die Witze.
Dabei gab gab es während der letzten Jahre immer wieder Anläufe die Situation zu ändern; das Homeoffice zu beenden. Viele Versuche ein zweites Gemeinschaftsbüro, ein weiteres Studio Rabotti, zu gründen. Als ich eine gemütlichen Studio bei einer Düsseldorf Rechtsanwältin beziehe, wähne ich mich kurz angekommen. Wir verstehen uns blendend. Es liegt mitten im Kiez. Nach wenigen Monaten aber merke ich: Mir fehlt der fachliche Austausch, mein Equipment findet hier auch keinen richtigen Platz. Abbruch. Wieder zurück. Back to basics.
Als ich schon nicht mehr damit rechne kommt 2022 kommt das rettende Angebot. "Ich würde mich freuen wenn du dabei bist." Auf jeden Fall bin ich das!
Das Taxi ist da. Auf einmal geht alles ganz einfach, ganz schnell. Der Taxifahrer ist wahnsinnig freundlich. "Auch kurze Fahrten machen wir gerne. Es sind schwere Zeiten. Ist doch kein Problem." Schon sind wir vorm Studio. "Ich helf Ihnen tragen. Brauchen sie eine Quittung?" Wenn das mal kein gutes Omen ist. Die Sonne scheint immer noch. Da stehe ich nun. Mit meinem verpackten Equipment auf dem Bürgersteig. Suche die Klingel, die ich hier schon etliche Male gesucht habe. Ich drücke sie. Die Tür geht auf.
Fortsetzung folgt (hier)
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