08.02.24
Eine Liebeserklärung
Ein Schwall warmer Luft drückt sich mir entgegen, als ich die Karstadt Filiale betrete. Zielstrebig steuere ich vorbei an unnötig bunten Northface Softshell Jacken, strafe auch die schlichten Nike Hoodies mit Desinteresse. Nein, wegen ihnen bin ich heute — und auch sonst nicht — hier. Ein paar Schritte noch, schon stehe ich auf der Rolltreppe zum Untergeschoss. Je weiter ich hinabfahre, umso mehr verliert die "Sport-Erlebniswelt" über mir immer mehr an ihrer ohnehin geringen Bedeutung. Mit jeder Sekunde tauche ich weiter ab in die jetzt einzig richtige, einzig wichtige Welt den Titus Skateshop. Schon von weitem erspähe ich die bunt illustrierten Skateboard-Decks an der Wand. Leuchtend und unerreichbar hängen — nein — schweben sie schon fast hinter der Verkaufstheke. Während ich auf der Rolltreppe in das Untergeschoss hinabgleite, höre ich die Musik im Skateshop, die die seichten Pop-Klänge aus der Sportabteilung mühelos verdrängt: scheppernde Hip-Hop-Beats, krachende Punk-Riffs. Endlich hier. Endlich zuhause.
Als 12-Jähriger ist der Titus Skateshop in der Bonner Innenstadt für mich das Größte. Eine Welt zum Abtauchen. Einfach alles aufsaugen. Jeden Hoodie genauestens betrachten, jeden Schuh bestaunen, als wäre es ein Raumschiff von einem anderen Stern. Dann das klare Highlight: Die T-Shirts durchstöbern. Jede Marke muss registriert werden, um sie sich einzuprägen: DC Skateboards, VANS, Titus, Zoo York. Mit jedem Motiv, das ich in den Händen halte, eröffnet sich eine neue Welt. Illustrierte Schriftzüge, kleine Comics auf den Hangtags und Logo Designs gleiten nach und nach durch meine Hände. Etnies, Reel, Volcom, DC Shoes. So spannend und bunt, wie die Menschen, die hier einkaufen und arbeiten, so spannend und aufregend erscheinen mir auch die T-Shirts. Nur eines von ihnen, ja — nur ein einziges wäre doch schon genug als Eintrittskarte in diese unangepasste, laute, bunte Welt. Genau so unmittelbar und cool; so könnte man doch vielleicht auch sein, besäße man nur eines. Jedes der T-Shirts hier ist ein Versprechen dafür. Ich stecke die Hand in meine Hosentasche und ziehe mein so gar nicht cooles rotes Coca-Cola-Portemonnaie hervor. Sein Inhalt: 4 Mark 50. Ein Stück Pizza bei Pizza Hut ist wohl noch drin; vielleicht eine Cola dazu. Eines dieser T-Shirts — auf gar keinen Fall.
So oder so ähnlich gestaltet sich als noch nicht ganz Teenager einer von vielen meiner Samstage. Um mir eines der heiß ersehnten Kleidungsstücke mein Eigen zu nennen, reicht mein Taschengeld oft nicht - im Grunde: Nie. Mein Bruder, vier Jahre älter und Skater, ergattert, zu unserer weiteren Unterhaltung an den Wochenenden, hier und da ein VHS Tape für uns. Ein Skatevideo. So kleben wir oft gemeinsam vor dem Fernseher und studieren die Videokassetten akribisch. Staunen über Tricks, beneiden Outfits und feiern die Musik, mit der all das unterlegt ist. Ist das Tape zu Ende geschaut, halten wir es zum Schluss hin an, um die Credits zu entziffern. Wir versuchen die Typografie auf dem zitternden Pause-Bildschirm zu erkennen, um die Musiktitel zu identifizieren, die wir doch noch nie gehört haben, jedoch unbedingt wieder hören müssen. Aber nicht nur die Skatetapes bringt mein Bruder von seinen Skate-Streifzügen nach Hause. Hier und da ergattert er auf einem Contest oder von einem Freund auch eines der begehrten Heiligtümer — ein T-Shirt. Einer der seltenen Tage, an dem er es an mich weitergibt — natürlich ein Feiertag.
Wahrscheinlich wecken Skateshirts, Sticker und Boards damals meine erste wirkliche Faszination für Grafik-Design und Illustration. Kein Wunder also, dass Skateshops immer noch eine Quelle der Inspiration sind. Aber nicht nur sie - T-Shirts; heute sind sie für mich etwas Magisches, etwas ganz Besonderes. Ganz gleich, ob Band-Shirt, Skateshirt oder vom Barber Shop an der Ecke. Jedes T-Shirt: Eine Einladung, ein Versprechen, eine Geschichte. Eine Tür zu einer anderen Welt.
So sehr ich mir als kleiner Junge gewünscht habe die faszinierenden T-Shirts zu besitzen (und nun auch mehr als genug davon im Schrank liegen), genau so sehr macht es mir heute Spaß, sie für andere zu gestalten. Die Einladung, das Versprechen, die Geschichte zu illustrieren und auf ein T-Shirt zu bringen. Ganz gleich für welchen Kunden ich sie gestalten darf: Das "THE DORF" Magazin, den Kaffee-Produzenten: Mr.Hoban's oder Comedy-Act "Der Dennis". Eine Welt zum Abtauchen — genau wie damals.
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