07.07.23
Oasen in Oberbilk
Es ist unerträglich heiß. 35 Grad? 40 vielleicht? Schimmernd reflektiert der Asphalt die Hitze. Nur zähflüssig schieben sich Menschenmengen über die Düsseldorfer Gehwege. Selbst die Autos auf den Straßen schleichen schwermütig und gleichgültig dahin. Verschmelzen, dicht hintereinander gedrängt, zu einer trägen, zähen Masse. Menschen, Straßen, Verkehr - heute alles eins. Wie Kaugummi klebt die Straße zäh und dickflüssig an den Schuhen. Die Stadt brummt. Ächzt unter der Hitze. Trotzdem ist hier - wie jedes Wochenende - viel Betrieb. An einem Samstag gibt es auf der Ellerstraße in Oberbilk viel zu erledigen.
Auch für Fabrice und Marny war es eine lange Woche. Marny Bergerhoff betreibt ihren wunderbaren Imbiss "Marny's" auf der Kruppstraße 23. Handverlesene, vegane Köstlichkeiten. Fabrice Taieb tätowiert in den "1900" Räumlichkeiten auf der Ellertraße 155 und arbeitet an seiner eigenen Kunst. Zusammen betreiben die beiden die 1900 Galerie.
Draußen mag es heute laut sein. Heiß, anstrengend, grau und zäh. Hier nicht. Hier ist es still, grün und angenehm kühl. Zu viert sitzen wir im Hinterhof der 1900 Galerie und den Wohnräumen von Marny und Fabrice. Ab und zu treffen wir uns hier zum Essen. Tauschen uns über die vergangene Woche aus. Marny, Fabrice, Maren und ich. Ein schwere Zeit, eine lange Woche, ein harter Tag. Heute nicht. Samstag. Feierabend. Kurze Pause. Zusammen Durchatmen. Nächste Woche geht's doch schon weiter.
Nur indirekt scheint die Sonne in den dreieckigen Hinterhof. Vorne - zur Ellerstraße hin - befinden sich 1900 Galerie und Tattoo-Studio. Der kleine Garten liegt versteckt im hinteren Teil des Gebäudes; von der Straße nicht einsehbar. Sanft wiegen sich die Blätter hier hin und her. Ein leises Rauschen. Vögel fliegen in den Garten. Steuern die üppigen Büsche an um sich zu verstecken; Nester zu bauen. Wasserschalen, Futterstellen - für alles ist gesorgt. Auf einem Mauervorsprung huscht eine kleine Maus daher. Auf der schmalen Stiege am Fenster eilt sie entlang, nur um gleich eine steile Backsteinwand hinunterzuklettern. Ihr folgend: Eine noch kleinere Maus. Mäuse-Mutter und Mäuse-Junges? Die beiden klettern die Äste eines Buschs empor und bahnen sich ihren Weg zu einer Vogelfutter-Säule. Staunend wird das bunte Treiben vom Shih Tzu Hunderudel von Marny und Fabrice verfolgt. Was klingt wie erfunden oder aus einem Disney Film entnommen ist hier tatsächlich Realität. In diesem Garten soll es keinem an etwas mangeln. Hier ist jeder sicher, alle willkommen.
Was man hinten im Garten von Fabrice und Marny erleben kann, spiegelt sich auch in den vorderen Räumlichkeiten der Galerie wieder: Gastfreundschaft. Miteinander. Aber auch Leidenschaft, Kultur und Kunst.
In der 1900 Galerie präsentieren Künstler aus aller Welt ihre Werke. Gruppenausstellungen kann man hier bestaunen, genau so wie spannende Einzelausstellungen. Namhafte Tätowierer wie Andreas Coenen, Zac Scheinbaum oder Henry Lewis präsentieren hier ihre Arbeiten. Kunst, die neben ihrer bloßen Ausübung des Tätowierhandwerks entsteht. Aber auch auch lokale Künstler ohne Tattoo-Background wie Takumi Ogata, Jennifer Daniel oder Ulf K finden hier Platz. Illustration, Fine-Art - das Spektrum ist breit. So bunt wie die Pallette an Künstlern ist auch das Publikum, was man hier an Ausstellungsabenden finden kann. Hin und hergerissen ist man oft, ob man die Kunst an den Wänden bestaunen soll oder doch die spannenden Gäste.
Kürzlich wurden aufwendig gestaltete Skateboards in den Räumen der Galerie ausgestellt. Ben, Ali und Duy veredeln Skatboard Decks mit Malerei und Zeichnungen. Künstler Ali brennt komplexe Motive in die Oberfläche der Boards. Als ich mich mit ihm zu später Stunde austausche und ihn nach seiner Arbeit frage, leuchten seine Augen. Begeistert gibt er mir Auskunft über seine Technik, wie lange er schon an seiner Kunst arbeitet und was diese Arbeit für ihn bedeutet. Solche Gespräche sind in der Galerie 1900 mit Sicherheit keine Seltenheit. Das die Künstler hier nicht anwesend sind oder nicht ansprechbar - undenkbar. Im Gegenteil. In dem schönen Raum, der früher mal Teil einer alten Apotheke war, ist man überall Teil des Geschehens. Auch Marny und Fabrice sind immer in Bewegung, immer mitten drin. Kümmern sich um Getränke, Verkäufe der Bilder oder begrüßen neue Gäste. Helfende Hände von Arno oder Martin unterstützen, wo es nur geht.
Ein Geschenk, das Marny und Fabrice in Oberbilk leben und arbeiten. Beide machen das Viertel und die Stadt etwas bunter, freundlicher, lebendiger. Die Galerie 1900 und das Marnys - kleine, bunte Oasen, mitten im städtischen Grau. Ein Platz für bunte Gestalten aller Art; genau wie der kleine versteckte Garten im Hinterhaus.
Fotos: Peter Gwiazda
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